Das Gleichgewicht zwischen “Stolz” und “Schande“ in der Nachkriegszeit: Heimat, Edgar Reitz, 1984 (2)

Noch 1984 gab es Schuld in Deutschland wegen der „Endlösung“ während des Zweiten Weltkriegs, obwohl der Krieg fast 40 Jahre vorbei war. Es ist durchaus Alltagswissen, dass die Nazis 6 Millionen Juden ermordet haben. In Heimat, der Filmserie von Edgar Reitz, die teilweise während des Zweiten Weltkriegs stattfindet, ist die Endlösung bisher kaum erwähnt. Nur am Ende der sechsten Folge spricht einer der Nazis (Wilfried) sehr leise und heimlich darüber, obwohl viele Leute (vielleicht hauptsächlich Nazis) damals gewusst haben, dass die Endlösung durchgeführt wird. Also, warum ist Deutschland noch nicht bereit, seine Vergangenheit zu kritisieren, trotz dieses Wissens?

Die offensichtlichste Antwort ist, dass viele Deutsche noch Schande für ihre Verbrechen fühlen. Die Leute heute (und 1984) hatten vielleicht nichts mit dem Krieg zu tun, aber so eine Erfahrung beeinflusst nicht nur die Teilnehmer, sondern auch ihre Kinder und Familie und so weiter. Der Krieg wird ein Teil des nationalen Selbstverständnisses und es ist unglaublich schwierig, sich von dieser Denkweise zu trennen (man muss nur an die heutigen „Nazi-jokes“ oder Witze über „the South“ in den USA denken). Zusammengefasst, Deutschland ist einfach noch nicht bereit, sich von der Geschichte des Kriegs zu trennen, weil es noch eine zu feste Verbindung mit dieser Zeit hat. Um die Endlösung zu kritisieren, muss Deutschland den Blick eines „Außenseiters“ nehmen und das ist nicht gegenwärtig möglich.

In Heimat versucht Edgar Reitz den Kern von dem Begriff „Heimat“ zu zeigen und dieser Versuch soll, genau wie mit irgendeinem „gesunden“ Land, ein Element von Stolz einschließen. Deswegen ist es möglich, dass er die Endlösung nicht kritisieren will, weil er auch (teilweise als Antwort auf den damaligen “Holocaustfilme”) will, dass die Leute zu ihrem Land stehen. Es wäre schwierig, stolz über ihre Heimat zu sein, wenn der Holocaust der erste Gedanke von jedem ist. Reitz bewegt sich auf einem schmalen Grat mit seiner Abbildung der Endlösung in Heimat, weil er entscheiden musste, ob er das Ansehen Deutschland schützen oder eine realistische Abbildung darstellen soll. Nach meiner Meinung sollte er sich mehr Sorgen über eine realistische Darstellung der damaligen Zeit machen, weil Deutschland seine Vergangenheit nicht immer vermeiden kann.

 

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