Es ist völlig oberflächlich: “Am Brunnen vor dem Tore” ist eigentlich kein Heimatfilm (Hans Wolff, 1952) (2)

Für viele Leute ist „Am Brunnen vor dem Tore“ die Verkörperung eines Heimatfilmes – es geht um Liebe, schönes Landschaft, und die Hauptfigur wird am Ende glücklich. Obwohl der Film äußerlich klar zum Heimatfilmgenre gehört, bestreiten einige Themen im Film diese Einstufung. Zum Beispiel ist der Anfang des Filmes ohne Frage typisch für Heimatfilme: eine Orgel spielt während des Vorspannes, drei Männer singen, als sie durch das Land spazieren, und eine schöne Frau spricht über ihr Heimweh (sie war in den USA aber kam zurück nach Deutschland wegen ihrer Enttäuschung über das Leben in den USA). Aber nach dem Anfang geht alles abwärts – der Film betont Beziehungen, die im Krieg geführt wurden, und dadurch wird der Zauber des „Heimatfilmes“ zerbrochen.

Im ganzen Film gibt es Hinweise für die Vorliebe für Deutschland – die Hauptfigur (Inge) sagt, dass sie Deutschland nie verlassen will und am Ende bleibt sie bei dem Deutschen statt dem Engländer, eine Entscheidung, die die Vorliebe für Deutschland über Ausländer symbolisiert. Weiterhin gibt es eine starke Betonung auf die Volkslieder in Deutschland, besonders im Hof bei Inge als verschiedene Gruppen diese Lieder spielen, und am Ende des Filmes, während des Kinderzechefests. Interessanterweise sind die drei Einwanderer/Musiker im Wirtshaus nur hörbar, wenn sie zusammen mit Inge spielen (sie singt). Dadurch sind die „Außenseiter“ immer wieder ausgeschlossen und  nur merkbar, wenn sie mit einem Deutschen verbunden sind.

Trotz dieser offensichtlichen Beispiele (und anscheinend trotz der Meinungen von vielen Kennern) bin ich der Meinung, dass „Am Brunnen vor dem Tore“ vielleicht kein „echter“ Heimatfilm ist. Für meine Begriffe muss ein Heimatfilm das Thema des Zweiten Weltkrieges völlig vermeiden. Jedoch schafft dieser Film das nicht. Die ganze Handlung hängt von den Beziehungen ab, die wegen des Zweiten Weltkrieges geführt wurden (z.B. Inge/Robert, Lilo/der Amerikaner). Ohne die Dreiecksbeziehung zwischen Inge/Robert/Kurt  und ein kleines bisschen Georg gibt es wirklich keine Handlung – wir wollen nur wissen, welchen Mann Inge wählen wird. Deswegen sind Beziehungen wichtiger als Deutschland im Ganzen im Film und daraus folgt, dass er auch kein Heimatfilm sein kann. Im Gegensatz  könnte man sagen, der Schluss des Filmes verstärkt die Einstufung als Heimatfilm, weil Inge unbedingt Deutschland über England wählt, aber mir es das nicht genug. Der Zweiten Weltkrieg und die Besatzung Deutschlands sind immer im Vordergrund des Filmes (am deutlichsten durch die Feier für die Wiedereröffnung des Wirthauses nach dem Krieg) und, um einen echten Heimatfilm zu sein, muss der Film den Zweiten Weltkrieg völlig vermeiden.

 

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